Die Veränderung der Kirche seit dem Pontifikat unseres Papstes Franziskus
Ein Vortrag von Professor Dr. Paul M. Zulehner [1] zu Gast in Sankt Albertus Magnus Paris am 27. Mai 2018
In einer vollkommenen Dreieinigkeit standen sie vor uns, unsere Geistlichen: unser jetziger Pfarrer Markus Hirlinger, unser ehemaliger Pfarrer Wolfgang Sedlmeier zu Gast in Paris und ihr geistiger Vater Herr Professor Dr. Paul Zulehner aus Wien.
Im Anschluss an die Dreifaltigkeitsmesse gab es für unsere Gemeinde die Gelegenheit, einen Vortrag über die Veränderung in der katholischen Kirche seit Beginn des Pontifikats von Papst Franziskus zu hören. Durch witzige Karikaturen illustrierte darin Herr Zulehner die wichtigsten Punkte dieser Neuerungen, die sich als revolutionär herauskristallisieren. Der Papst aus Südamerika, wo immerhin 41% aller Katholiken beheimatet sind (!) stellt, wie Jesus, die Kirche wortwörtlich auf den Kopf.
Nicht von oben herab will er sie regieren, von unten herauf will er sie leben lassen. Als Demütiger auf dem Weg Jesu mischt er sich unter das Volk, fährt Bus und Roller, ist Fußballfan und wünscht sich eine arme Kirche für die Armen, die auf Barmherzigkeit gegründet ist, wie es 1965 bereits der „Katakombenpakt“ zur Zeit des II. Vatikanischen Konzils wollte. Darin geht es hauptsächlich um das Ändern des persönlichen Lebensstils, um politische Einmischung und um innerkirchliche Reformen.
So begann Franziskus, der seinen Namen in Anlehnung an Franz von Assisi wählte, beispielsweise mit einer Vereinfachung der päpstlichen Kleiderordnung, denn für ihn ist Prunk „out“.
Große Bedeutung wird auch dem politischen Engagement zugemessen: Ein einziges Wort kam ihm bei seiner ersten Auslandsreise nach Lampedusa, Flüchtlingshochburg im Mittelmeer, dem inzwischen größten Grab Europas: Schande. Genauso übt er virulente Kritik an unserer ungerechten von westlichen Mächten beherrschten Weltwirtschaft. Franziskus wünscht sich eine öko-soziale Marktwirtschaft, an der alle teilhaben dürfen und alle in Gerechtigkeit leben können.
Alle, aber vor allem die Jugendlichen ruft er auf, revolutionär zu sein, gegen den Strom zu schwimmen, sich dagegen aufzulehnen und Alternativen zu suchen. Herr Zulehner zieht dazu die Parallele zu Papst Johannes Paul II. aus Polen, der zur Zeit der Solidarnosc und der Perestroika auch die Jugend aufrief, sich gegen ein unterdrückendes Regime zu rebellieren. Vielleicht hatte er ihr ja damals gar den nötigen geistigen Rückenwind inspiriert? Vielleicht schafft es auch Franziskus, unsere aus den Fugen geratene Welt wieder zusammenzuführen?
Auch als „Peace Maker“ versteht er sich beispielsweise im Syrien-Krieg, wo er versucht, im Dialog mit dem russischen Präsidenten Putin und dem ehemaligen US-Präsidenten Obama den Frieden voranzubringen.
Schließlich sollten die internen Strukturen der Kirche angepasst werden, damit sie noch lange weiterlebe, Bestand halte und nicht an sich selbst zerbreche. Dazu gehört in erster Linie die Bekämpfung des Priestermangels. Lösungen sieht Franziskus darin, das Priesteramt auch verheirateten Männern, nicht unbedingt vollen Theologen oder gegebenenfalls auch Frauen anzuvertrauen, die eine große Gemeindeerfahrung aufweisen können.
Ganz allgemein besteht seine Philosophie, die weder als links noch rechts gewertet werden kann, darin, jeden Einzelnen als Kind Gottes anzusehen, den Menschen mit seinem Herzen zu erkennen, vor allem die Armen und die von der Gesellschaft Ausgestoßenen. Denn genau diese Personengruppen tragen Wunden, die es zu heilen gibt, brauchen Nähe und suchen Verbundenheit. Auch Geschiedene will er im Sinne einer universellen Einheit in die Gemeinschaft wieder integrieren. Eine ökumenische Öffnung sowie ein Zugehen auf andere Religionen ist dabei selbstverständlich.
Für ihn gibt es einen Gott, eine universelle Gemeinde, die auch dezentralisiert funktionieren könnte – denn die auf Rom zentrierte Hierarchie ist ebenso „out“. Dezentralisierung scheint ihm in der Tat wichtig, sie würde auch Ländern und Kulturen eine Chance gegeben, die nicht auf der gleichen Entwicklungsstufe stehen wie unsere westlichen Länder. Das Prinzip „think global – act local“ scheint daher auch für Franziskus möglich und notwendig. Durch diese revolutionären Ansichten schafft sich Franziskus natürlich nicht nur Freunde… Wer Erneuerungen will, trifft auch auf Feinde, die am Althergebrachten festhalten wollen – das wusste schon vor langer Zeit Konfuzius, und auch Jesus bekam es zu spüren …
Franziskus ist derzeit Leiter einer großen Baustelle, zu der er Bauarbeiter willkommen heißt. Herr Zulehner hat deshalb zusammen mit dem Prager Religionsphilosophen Tomas Halik die Initiative ergriffen, unseren Papst durch einen offenen Brief in seinem Vorhaben zu unterstützen. Dazu hat er bereits mehr als 70.000 Unterschriften gesammelt. Auch Sie können hier Ihre Unterschrift abgeben. Und wenn Sie Verbesserungsvorschläge für die Kirche haben, dürfen Sie diese auch im Fragebogen, der ebenso auf folgender Seite zugänglich ist, ausfüllen: https://www.pro-pope-francis.com/
Möchten Sie mehr über Franziskus‘ revolutionären Ideen erfahren, so können Sie sich auch in Paul Zulehners Buch “ Ich träume von einer Kirche als Mutter und Hirtin“ vertiefen, oder einfach auf seiner Webseite stöbern : http://zulehner.org/.
Also nicht vergessen: Geben Sie dem Rebellen in sich eine Chance!
[1] Professor Dr. Paul M. Zulehner ist Inhaber des weltältesten Lehrstuhls für Pastoraltheologie an der Universität Wien.